Wenn Erzengel Michael arbeitslos ist
Wie es nach dem Tod weitergeht, das wollen viele gerne wissen: Verena Kitz vom Trauerzentrum St. Michael in Frankfurt konnte jedenfalls zu einer der letzten Veranstaltungen vor der großen Absagewelle über 50 Teilnehmer zum Studientag Trauerpastoral im Wilhelm-Kempf-Haus in Naurod begrüßen. „Erzähl mir vom Himmel“ lautete das vielversprechende Thema, das aus drei sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wurde. Neben der Theologie und der Medizin war die Kunst gefragt. Rektor Stefan Scholz, priesterlicher Mitarbeiter am Frankfurter Dom und ausgewiesener Kunstexperte, entführte seine Zuhörer zum Start auf eine anspruchsvolle Reise durch „Himmelsbilder in der darstellenden Kunst“.
Ein entspanntes Jesuskind im Paradies
Das Kreuzrippengewölbe der gotischen Kirche St. Leonhard in Frankfurt, eine russische Ikone aus dem 16. Jahrhundert, die „Aufnahme Mariens in den Himmel!“ von Francesco Botticini, Lucas Cranachs „Adam und Eva im Paradies oder ein Leuchter aus dem 11. Jahrhundert, der im Hildesheimer Dom über dem Hauptaltar hängt: Scholz entfaltete anhand seiner Beispiele den ganzen Reichtum religiöser Bilderwelt. Im „Paradiesgärtlein“, einem Andachtsbild aus dem 15. Jahrhundert, das im Frankfurter Städel hängt, wird der Himmel unter irdischen Konditionen dargestellt. Das Jesuskind ist entspannt und spielt und der Erzengel Michael hat nichts mehr zu tun. Der Teufel, so Scholz, sei dabei als einer demaskiert, der „alles verspricht und nichts hält“. Er sei gebändigt und erkannt – wie die ganze Geschichte unserer Angst, die präsent, aber anschaubar sei.
Mit Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ schlug Scholz schon im Vormittagspart den Bogen zu seinem späteren Workshop, in dem die moderne Kunst zu ihren Vorstellungen vom Himmel befragt wurden. Hier habe der unendliche Horizont schon nichts Göttliches mehr. Der Mensch sei ein Nichts, aber er erkenne das Unendliche: Die Nichtigkeit und Erhabenheit des Menschen sei Thema dieses Bildes wie der Romantik überhaupt.
Der Himmel ist keine zukünftige Größe
So bunt und aussagekräftig sich die Künstler über Jahrhunderte weg den Himmel ausgemalt haben, so karg ist es um die Himmelsbilder in der Bibel bestellt. „Ich kenne eigentlich keine“, sei sein erster Gedanke gewesen, als er wegen des Vortrags angefragt worden sei. Professor Sebastian Schneider, der an der Hochschule Vallendar unterrichtet und Klinikseelsorger in Wiesbaden ist, bestätigte auch, was schon eingangs gesagt worden war. Der Himmel sei nicht gerade ein Thema, das die Theologen umtreibe. Was natürlich an der dürftigen Ausgangslage liegen kann: „Es gibt keine Himmelsbilder, die uns die zukünftige Gemeinschaft in frohen Farben schildern“, so das Resümee seiner Suche, bei der er nur einige knappe Hinweise auf ein Festmahl präsentieren konnte. Das bedeute aber nichts anderes als dass in den Evangelien der Himmel so selbstverständlich sei, dass er nicht bildreich ausgemalt werden müsse. Er sei eben auch keine zukünftige Größe. „Der Himmel ist jetzt!“ lautete die frohe Kunde des Theologen: „Mit Jesus, dem Sohn Gottes, ist der Himmel da“, heiße es im Markusevangelium.
Tod und Leben sei in diesem Sinne nicht auf das Biologische begrenzt, auch zerbrochene Gemeinschaft sei eine Art von Tod und christliches Leben ein stetiger Kampf, sich immer wieder neu für Christus und damit den Himmel zu entscheiden. Für das Gespräch mit Trauernden bedeute das, jedes Glück, jede Freude, jede positive Zuwendung in Verbindung mit dem Verstorbenen als eine Erfahrung von Himmel zu deuten. Und wenn die Menschen schon auf Erden Himmelserfahrungen machen könnten, „dann brauchen wir auch keinen Zweifel haben, dass der Verstorbene nach dem Tod ganz aufgehoben ist in Gott.“
Nahtoderfahrungen und das Jenseits
Können Nahtoderfahrungen etwas aussagen über den Himmel, was erzählen sie über das Jenseits? Diese Frage hatte der dritte Referent des Tages schon in der Vorbesprechung mit einem klaren „Nichts!“ beantwortet. Der Mediziner in der Runde, der Arzt und Anästhesist Ulrich Fauth aus Kassel, der sich seit seiner Antrittsvorlesung im Rahmen seiner Habilitation vor 20 Jahren mit Nahtoderfahrungen beschäftigt, steuerte die nüchterne Perspektive der Naturwissenschaft bei. In seinem ersten Referatsteil lieferte er einen sachlichen Überblick über seriöse Studien und Datenerhebungen, um später im Workshop organische, psychologische und spirituelle Theorien zur Erklärung des Phänomens vorzustellen. Deutungen enthielt er sich ganz ausdrücklich: Seine eigene Meinung sei immer noch unscharf, jeder müsse selbst entscheiden, wie er das Berichtete einordne. Ob solche Nahtoderfahrungen nun, wie zum Beispiel laut seinem Vortrag die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross meinte, ein Leben nach dem Tod bestätigen oder nicht: Faszinierend sind die Beschreibungen und Gefühle der Betroffenen so oder so.
Der Studientag Trauerpastoral wurde veranstaltet vom Arbeitskreis Trauerpastoral im Bistum Limburg (Znetrum für Trauerseelsorge Frankfurt, St. Michael; Referat 3./4. Lebensalter, Trauerseelsorge Wiesbaden, Klinikseelsorge).