Unterstützung für den Offenen Brief
Fortsetzung nach einer gelungenen Premiere: Ungeschminkt und offen äußerten sich die Teilnehmer der zweiten Sonntagsmatinee im Gemeindehaus von St. Peter & Paul in Schierstein ganz nach dem ausgegebenen Motto „Christen sagen ihre Meinung“. Diesmal stand der Offene Brief im Mittelpunkt, den namhafte Theologen und engagierte Katholiken Anfang Februar an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, gerichtet hatten und der am 3. Februar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht worden war. Echte Gewaltenteilung, die Öffnung des Weiheamtes für Frauen, einen freiwilligen Zölibat und einen Neustart mit der Sexualmoral – eine verständige und gerechte Bewertung von Homosexualität inklusive: So lauteten die Wünsche der neun Unterzeichner, darunter der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz und der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig.
Wie das Hornberger Schießen
Die Diskutanten in Schierstein konnten sich mit diesen Forderungen weitgehend identfiizieren. Dass eine Petition im Internet, die den Brief unterstützt, bisher nur knapp 2.000 Menschen unterschrieben haben, nannte eine Teilnehmerin "enttäuschend". „Ich hätte gedacht, dass von diesem Brief eine enorme Strahlkraft ausgeht." Kritisch beurteilt wurde auch die von Papst Franziskus einberufene Kkonferenz zu den Missbrauchsfällen in Rom: Sie sei ausgegangen „wie das Hornberger Schießen“, hieß es. Trotzdem zeigten sich viele überzeugt: „Wir können etwas bewegen, wenn wir unsere Bischöfe unterstützen und uns zu Wort melden.“
Kritik an der männerdominierten Struktur
Zum Thema Missbrauch und Aufarbeitung sei im Bistum Limburg seit Herbst 2018 zumindest einiges auf den Weg gebracht worden. Auch wenn Missbrauch ein gesellschaftliches Problem sei, dürfe er am allerwenigsten in der Kirche geschehen. „Darum haben wir uns hier am meisten schuldig gemacht“, sagte eine Teilnehmerin. „Die rein männerdominierte Struktur in der Kirche ist nicht gut“, ergänzte eine andere Teilnehmerin. Natürlich betreffe sexualisierte Gewalt grundsätzlich nicht nur Männer, aber in der katholischen Kirche seien eben vorrangig Männer verantwortlich. Ein weiteres Problem sei, dass sich gerade in den Missbrauchsfällen viele Menschen nicht an die Staatsgewalt, sondern an den Priester oder dessen Vorgesetzten gewandt haben. Die Aufklärung der Fälle wurde dadurch erschwert oder sogar unterdrückt. „Es sollte daher Teil unserer Präventionsarbeit sein, die Menschen zu ermutigen, sich an die Polizei zu wenden“, lautete eine Forderung.
Gleichberechtigung statt "Frauenkirche"
Auch seien das Frauenpriestertum und die Aufhebung des Zölibats sicherlich nicht die Lösung zur Vermeidung von Missbrauchsfällen. Eine Teilnehmerin befürchtete, dass Männer sich weiter aus der Kirche zurückziehen, wenn das Weiheamt für Frauen geöffnet würde: „Das ist wie mit den Messdienern. Seitdem Mädchen die Messe dienen dürfen, sehen sich immer weniger Jungs in der Verantwortung, Messdiener zu sein.“ Eine „Frauenkirche“ sei überhaupt nicht der Wunsch, entgegneten andere. Es gehe vielmehr um Gleichberechtigung und um die Frage: „Warum darf eine Frau nicht Priesterin werden, wenn sie sich berufen fühlt?“
Rückendeckung für Bischof Bätzing
„Darf in der Kirche das zum Leben kommen, was die Menschen fühlen“, fragte eine Teilnehmerin und sprach damit offenbar vielen anderen aus dem Herzen. Denn diese Frage gelte zum Beispiel auch für den Zölibat. „Es schadet nichts, wenn Priester heiraten dürfen. Wir stehen hinter dem Bischof“, nahm eine Teilnehmerin Bezug auf ein Interview , das Bischof Georg Bätzing dem Hessischen Rundfunk Mitte Februar gegeben hatte. Dort sagte er, „dass es der Kirche nicht schadet, wenn Priester frei sind zu wählen, ob sie ehelos leben wollen oder nicht.“
Unterstützung forderten einige Teilnehmer auch für Priester, die homosexuelle Paare segnen. „Homosexualität oder Transsexualität fügen niemandem Schaden zu. Das sind Lebensweisen, die wir akzeptieren können“, waren sich die meisten einig. „Wir sind eine Petzergemeinschaft geworden und machen uns gegenseitig fertig, indem wir andere beim Bischof denunzieren, weil etwas nicht in unser persönliches Weltbild passt“, kritisierte eine Teilnehmerin. Viele Menschen würden gerade auch deswegen aus der Kirche austreten, weil sie sich nicht willkommen fühlen. Ein Ziel müsse daher eine funktionsfähige Kirche sein, die niemanden ausgrenze.
Nächstes Thema: Rassismus
Am 7. April steht das Thema Rassismus auf der Tagesordnung der Veranstaltungsreihe „Christen sagen ihre Meinung“. Passend dazu wird es am 17. März um 15 Uhr im Gemeindehaus ein Lesestück geben von der Gruppe Criesu aus Taunusstein. Sie befasst sich mit den internationalen Flüchtlingskonferenzen von Evian im Juli 1938, bei denen es um die Aufnahme der von den Nazis verfolgten Juden ging.
Wer selbst etwas vorschlagen oder sich beteiligten möchte, kann sich unter meinung@ christen-schierstein .de an die Organisatoren wenden