Interreligiöses Lernen steht in einem besonderen Spannungsfeld. Das hat die Jahrestagung der beauftragten Religionspädagogen in den Kindertagestätten des Bistums Limburg deutlich gemacht. Früh begegneten sich in den Kitas Menschen aller Religionen und Kulturen, so Dr. Katharina Sauer, Leiterin des Referates Religionspädagogik im Elementarbereich. Hier das eigene religiöse Profil zu bewahren und zu vermitteln und zugleich das Andere zu sehen und wertzuschätzen, sei eine Herausforderung und verlange nach entsprechender Kompetenz. Das Thema brennt den Mitarbeitern vor Ort offensichtlich auf den Nägeln: 90 Erzieherinnen und Erzieher waren der Einladung in das Wilhelm-Kempf-Haus gefolgt.
Mose und Musa, Jesus und Isa
Ihre Hoffnung auf „Handwerkszeug“ für den religionssensiblen Umgang in den katholischen Kitas des Bistums wurde nicht enttäuscht: Damit konnte der Referent des Tages, der evangelische Theologe und Schriftsteller Michael Landgraf, reichlich dienen. Druckfrisch präsentierte Landgraf das Buch- und Musikprojekt „Aufeinander zugehen – gemeinsam Schätze teilen“. Es entstand in Zusammenarbeit mit der Muslima Saida Aderras, dem Musiker Reinhard Horn sowie den Religionspädagogen Beate Brauckhoff und Ulrich Walter und wurde im Kontakte Musikverlag veröffentlicht. Erstmals werden darin Bibel- und Korangeschichten über die Schöpfung, Abraham und Ibrahim, Josef und Yusuf, Mose und Musa, Jesus und Isa so erzählt, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede elementar sichtbar werden. Dazu gibt es Lieder, Impulse und Vorschläge zur konkreten Gestaltung.
Wenn Religionen und Kulturen aufeinander treffen, sind „Fettnäpfchen“ nicht fern. Wie sie vermieden werden können, war eines der Themen im Praxisteil der Tagung. Fußsohlen gelten zum Beispiel in Asien als schmutzigstes Körperteil und dürfen deswegen im Sitzen weder einander noch einer Gottheit entgegengestreckt werden. Aus demselben Grund müssen Schuhe in der Moschee oder in Tempeln ausgezogen werden. Auch die Frage, ob Gummibärchen koscher sind, kann nur beantworten, wer etwas weiß über die Konfession der Kinder und ihre Speisevorschriften. Dafür, dass wir in einem multi-religiösen Kontext lebten, gebe es noch reichlich Halbwissen, mahnte der Referent, der zur Differenzierung aufforderte und unter anderem im Blick auf den Islam auf große Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten hinwies.
Erziehung zum Frieden
Nicht das Trennende, sondern die Entdeckung mancher Parallelen in Bibel und Koran führte vor allem am Nachmittag in der Kleingruppenarbeit zu Aha-Erlebnissen. Es sei nicht nur überraschend, dass über 20 Personen der Bibel im Koran vorkämen, sondern auch die Art und Weise, sagte Landgraf: „Maria ist bei der Geburt Jesu Jungfrau und Jesus wird Wort Gottes, Kalamu-llah, genannt.“ Gerade angesichts zunehmender Islamophobie sei es wichtig, nicht nur auf das Trennende zu schauen, betonte Katharina Sauer: „Wir haben auch Etliches an Übereinstimmung“, zog sie Resümee. In den katholischen Kitas stehe die biblische Erzählung im Mittelpunkt, aber es sei gut zu wissen, "was im Koran zu Jesus steht“ und wichtig zu verstehen, was muslimische Kinder erzählten, um entsprechend reagieren zu können. Sauer unterstrich die „große Leistung" und Verantwortung der Erzieher in diesem Umfeld. Letztlich gehe es beim interreligiösen Lernen um Friedenserziehung.
In diesem Sinne hatte sich auch Landgraf im Rahmen der Tagung geäußert: Kinder müssten ihre eigene Religion kennen, aber auch mit der Religion der Anderen umgehen lernen. „Je früher dies geschieht, desto selbstverständlicher wird dies für die Heranwachsenden."
Michael Landgraf ist Leiter des Religionspädagogischen Zentrums im pfälzischen Neustadt. Er hat über 90 Kinder- und Schulbücher, Arbeitshilfen und Romane verfasst, die in 25 Sprachen übersetzt wurden.
Weitere Informationen: www.religionen-entdecken.de; www.planet-schule.de:
Rund 300 Erzieherinnen und Erzieher in den katholischen Kindertagestätten des Bistums Limburg haben an den berufsbegleitenden religionspädagogischen Qualifikationskursen teilgenommen. Die nächsten beiden Staffeln starten im September in Frankfurt und Montabaur.

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