Respekt vor Übernahme politischer Verantwortung
Zu Beginn der Konstituierung des Hessischen Landtags haben sich die gewählten Mitglieder des Landesparlamentes am Donnerstag, 18. Januar, unter Gottes Segen gestellt. In der Wiesbadener Marktkirche feierten sie einen ökumenischen Gottesdienst mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck) und Bischof Dr. Georg Bätzing (Bistum Limburg).
In ihrer Predigt ermunterte Bischöfin Dr. Beate Hofmann, Parlament und Regierung über das nachzudenken, was die Arbeit und das Miteinander im Landtag prägt. Mit Verweis auf die Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Korinther 16,14) schlug sie einen Bogen von der (Nächsten)Liebe zur Politik. „Wo Menschen mit Leidenschaft für ihre politischen Überzeugungen einstehen, weil sie die Menschen in einem Bundesland lieben, weil sie die Demokratie lieben, da muss gestritten werden. Aber auch im Streit kann man dem anderen mit Respekt und Liebe begegnen“, sagte sie.
Respekt vor Andersdenkenden gehört zur Politik
Bischöfin Hofmann erinnerte zudem an den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, der aufgrund seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik von einem Rechtsextremisten ermordet worden war. Das Parlament sei ein Ort, wo alle dazu beitragen können, dass so etwas nie wieder geschehe: „Indem sie zeigen, dass der Respekt vor dem Andersdenkenden zur Politik dazu gehört. Indem Sie zeigen, dass konstruktive Streitkultur Entscheidungen besser macht. Indem Sie unter Beweis stellen, dass die Achtung der Menschenrechte und des Grundgesetzes Ziel und Maßstab des politischen Handelns in unserem Land sind. Indem die Würde jedes Menschen in diesem Land gestärkt wird, egal, wo er oder sie geboren ist, was er kann und wie sie denkt“, gab die Bischöfin den Mitgliedern des Landtags mit auf den Weg. Sie ergänzte: „Das ist für mich der Ausdruck von Liebe in der Politik.“
Bischof Dr. Georg Bätzing ging auf die großen aktuellen Herausforderungen ein, die oft ein schnelles politisches Handeln erforderten. „Die Pandemie steckt so manchem noch in den Knochen. Der Blick nach Israel und in die Palästinensergebiete, in die Ukraine, nach Armenien und Aserbaidschan, nach Nigeria, Nicaragua, Venezuela und Guyana macht deutlich, in wie vielen Regionen der Welt Gewalt um sich greift“, sagte Bätzing. Regeln der Menschlichkeit würden zutiefst verletzt. Dies habe auch Auswirkungen auf das Miteinander der Menschen in Hessen. Es müssten dringend Antworten auf die Krisen gefunden werden. Dabei sei zu beachten, dass die aktuellen Konflikte nicht einfach vom Himmel gefallen seien. Vielmehr hätten sie eine Vorgeschichte, die häufig lange in die Vergangenheit zurückreichten. Sich dessen zu erinnern helfe, Konflikte zu verstehen und Impulse zu geben, die zu deren Lösung beitragen könnten.
Tiefsitzender Unmut
Dies gelte auch für die Spannungen und die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. „Die Unzufriedenheit mit Regierungsentscheidungen beziehungsweise Nichtentscheidungen schürt das Unbehagen in der Demokratie“, so Bätzing. Der Anteil der Bevölkerung, der bereit sei, nationalistischen, autokratischen Kräften Gehör und Stimme zu geben, wachse bedenklich als protesthafter Ausdruck eines tiefsitzenden Unmutes. „Angesichts solcher Rahmenbedingungen wächst in mir der Respekt vor Ihnen, die Sie bereit sind, politische Verantwortung für unser Land Hessen zu übernehmen. Und ich erbitte Ihnen allen Mut und allen Segen Gottes für diese so wichtige Aufgabe“, sagte der Bischof.
Mit Blick auf das Matthäusevangelium stehe für Bätzing fest, dass Solidarität und Wirksamkeit mit der Zuwendung zu Gott und einer Gottverbundenheit erwachsen. „Ich frage mich manchmal, ob es ein Zufall ist, dass mit dem Rückgang des persönlichen Gottesglaubens in unserer Gesellschaft zugleich das Gefühl der Abhängigkeit von anonymen Mächten wieder wächst“, so Bätzing. Der christliche Glaube strebe danach, durch die Liebe wirksam zu werden. Politische Auseinandersetzungen müssten in einer inneren Haltung des Respekts, des Vertrauens und der Fairness geführt werden, um zu einem wirksamen Gegenpol zu Hass und Spaltung zu werden.