WIESBADEN. ? Die katholische Stadtkirche in Wiesbaden hat wieder einen Stadtdekan und die Pfarrei St. Bonifatius wieder einen Pfarrer: Wie groß die Dankbarkeit nach der fast zweijährigen Vakanz dafür ist, war am Tag der offiziellen Einführung von Klaus Nebel, am Sonntag, 13. September, fast mit Händen zu greifen. Zum Einführungsgottesdienst bot die übervolle St. Bonifatiuskirche mit der großen Schar der Messdiener, Bannerträger und der vielen mitfeiernden Priester ein festliches Bild, wozu Kirchenchöre aus allen drei Pfarreien unter der Leitung von Gabriel Dessauer und Franz-Josef Oestemer die feierliche Musik beisteuerten. Und immer wieder gab es Applaus von den Gläubigen: „Danke für dieses Geräusch“, sagte Stadtdekan Klaus Nebel gut gelaunt, der den herzlichen Empfang mit ebenso herzlichen Dankesworten quittierte. Ein solcher Gottesdienst mache ihm den Anfang natürlich viel leichter.
Spannende Großstadtgemeinde
Dass Pfarrer Nebel auch über das freudige Willkommen hinaus auf viel Unterstützung bauen kann, wurde ihm an diesem Abend mehrfach versichert. Der erste Redner in dieser Reihe war der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Dr. Johannes Siebelt, der zu Beginn des Gottesdienstes, in dem auch Politik und Verwaltung mit Mitgliedern des Landtags, der Stadtverordnetenversammlung und des Magistrats prominent vertreten waren, das Aufgabengebiet des neuen Pfarrers umrissen hatte. Er komme in eine spannende Großstadtgemeinde, „die viel von Ihnen verlangen wird, aber auch viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet“, sagte er. Daran schloss auch Domkapitular Wolfgang Rösch an, der mit seinen sehr persönlichen Worten zu Beginn für einen bewegenden Moment sorgte.
Edelstein für Wiesbaden
Auf Klaus Nebel, den er kenne und schätze, solange er selbst Pfarrer sei, warte hier „eine ganz große Aufgabe und Herausforderung“, aber ihm werde zugleich auch ein Schatz anvertraut. „Auch Ihnen wird ein Schatz anvertraut, ein Edelstein“, sagte Rösch an die Gemeinde gewandt. Den neuen Stadtdekan, ein Liebhaber der Jugendarbeit und der Kirchenmusik, charakterisierte er als jemanden, der unter Kommunikation nicht die technischen Varianten verstehe, sondern „die Begegnung von Menschen zu Menschen“. Auf die Verlesung der Ernennungsurkunde folgte langanhaltender Beifall, womit die Gottesdienstteilnehmer zum Start auch schon den stellvertretenden Stadtdekan, Pfarrer Stephan Gras, für sein Engagement in der Vakanzzeit bedacht hatten.
Quelle wahrer Menschlichkeit
Von der „tiefen Sehnsucht nach wahrer Menschlichkeit“, von der die Gegenwart erfüllt sei, sprach Pfarrer Nebel in seiner ersten Predigt am neuen Wirkungsort und bezog sich dabei auch auf die Situation der Flüchtlinge, die „auf unsere konkrete Bereitschaft zur Aufnahme und zur Hilfe ohne Ansehen der Person“ angewiesen seien. Diese Menschlichkeit könne es nicht ohne Gott geben und ihre Quelle liege nicht in einer Lehre, sondern in der Begegnung Gottes mit dem Menschen, die Geschenk und Auftrag zugleich sei. Die Christen müssten Wächter dieser wahren Menschlichkeit sein, sagte Nebel. Bisweilen erscheine es, als wäre aus der Kirche hierzulande ein Verein geworden, der der Befriedigung spiritueller Bedürfnisse diene, kritisierte er. „Möge der Herr in unserer Zeit die Kruste unserer Gewohnheiten aufbrechen, uns aus der bisweilen lähmenden Langweiligkeit unserer Sitzungen, Räte und Komitees herausholen, dass der Geist Gottes in die Kirche fährt wie lebensspendender Atem in totes Gebein.“
Konstruktive Zusammenarbeit
Auf eine vertrauensvolle und konstruktive Zeit mit dem neuen Stadtdekan setzt auch Stefan Fink, der ihn am Schluss des Gottesdienstes als Vorsitzender der Stadtversammlung im Namen der Wiesbadener Katholiken begrüßte. „Wir werden Ihnen den Anfang Ihres Wirkens in Wiesbaden leicht machen“, versprach er ihm und gab dem Neuankömmling beim anschließenden Empfang im RoncalliHaus gleich eine Kostprobe seines seit Jahrzehnten erprobten fastnachtlichen Talents. „Die Boni hat nen neuen Boss“, dichtete er dort, sagte ihm vor allem „eens: Besser nach Wiesbaden als nach Meenz:“ und animierte erfolgreich den ganzen Saal zum Mitsprechen des Refrains: „Wiesbaden habemus Stadtdekan.“ Etwas ernstere, aber nicht minder freundliche Töne schlug der evangelische Dekan Dr. Martin Mencke an, der den katholischen Stadtdekan als „Migranten im Namen des Herrn“ willkommen hieß und betonte, dass die Ökumene in der Stadt auf eine starke Partnerschaft angewiesen sei.
Mit Humor
Unter den Grußrednern war auch einer, der den Wiesbadener Stadtdekan, einen gebürtigen Bad Homburger, der aber in Friedrichsdorf aufgewachsen ist, noch als Ministranten kennt: Pfarrer Friedrich Glöckler aus seiner Heimatpfarrei in Seulberg. Er berichtete unter anderem, dass Klaus Nebel Humor mitbringe. Das aber hatten die Gottesdienstteilnehmer schon selbst mitbekommen, als sich der „neue Boss der Boni“ dort mit den Worten vorgestellt hatte: „Jetzt kommt der Herbst und mit ihm kommt der Nebel."(rei)