Deutschland ist Heimat und Äthiopien Vaterland
Europa muss seine Afrikapolitik grundlegend ändern: Der Publizist und Unternehmensberater Dr. Asfa-Wossen Asserate wird nicht müde, das zu betonen. Nötig sei, wie er am Donnerstag, 3. Mai, im Roncalli-Haus in Wiesbaden sagte, ein gemeinsames und entschiedenes Vorgehen gegenüber den „afrikanischen Gewaltherrschern“. Sie seien die Fluchtursache Nummer eins, erklärte er im Gespräch mit dem Journalisten Meinhard Schmidt-Degenhard. Statt sie mit Steuergeldern zu alimentieren, „müssen wir sie zu Parias machen“. Scharfe Kritik äußerte er in diesem Zusammenhang an der Strategie, mit den Machthabern sogenannte Fluchtpartnerschaften einzugehen. „Sie sind doch die größten Exporteure der Massenmigration“.
Keine Hoffnung und Perspektive
Die jungen Afrikaner, die über 80 Prozent der Bevölkerung ausmachten, hätten unter diesen Diktatoren keine Hoffnung, keine Arbeit, keine Perspektive. Wenn sich an ihren Lebensbedingungen nichts gravierend ändere, stehe die afrikanische Migration im Sinne einer Völkerwanderung erst bevor, so Asfa-Wossen Asserate. Dabei wüssten die Flüchtlinge inzwischen sehr wohl, dass auch in Europa „die Straßen nicht mit Gold gepflastert sind“. Dass sie trotzdem das Leben in hiesigen Flüchtlingsunterkünften vorzögen, werfe ein deutliches Licht auf ihre Aussichten in den Heimatländern. So viel Verständnis er für die Geflüchteten hat, so deutlich sind auf der anderen Seite seine Erwartungen: Sie müssten die Gesetze und Gepflogenheiten des Gastlandes ohne Wenn und Aber akzeptieren, schnellstmöglich die Sprache lernen ebenso wie die Sitten und Gebräuche.
Asserate, der seinerseits 1974 unversehens um Asyl nachsuchen musste, weiß sehr genau, dass zwischen ihm und den heutigen afrikanischen Flüchtlingen Welten liegen. Der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers hielt sich nach dem Abitur, das er an der deutschen Schule in Addis Abeba absolviert hatte, zum Studium in Deutschland auf, als am 23. November die Revolution in seinem Heimatland Äthiopien ausbrach. Am Morgen danach hörte er in der BBC vom Tod seines Vaters, der mit anderen führenden Politikern erschossen worden war. Er selbst wurde als erster Äthiopier ausgebürgert, und war auch beim Asylantrag in Deutschland wiederum der erste aus seinem Land. Nach drei Tagen war die Anerkennung da: „Das war ein sehr privilegiertes Hierherkommen“, so seine eigene Einschätzung.
Drei Religionen in friedlicher Koexistenz
Deutschland ist lange schon seine Heimat geworden, so sehr, dass er ausdrücklich stolz darauf ist, „ein Deutscher zu sein“. Stolz und Anteilnahme sind aber auch unüberhörbar, wenn „der Prinz aus dem Hause David“ von Äthiopien erzählt: Sein Vaterland gehöre zu den ältesten christlichen Ländern der Welt. 330 sei das Christentum hier zur Staatsreligion ausgerufen worden. Davor sei das Volk jüdisch gewesen, auch das einzigartig. Außerdem gebe es hier die zweitälteste muslimische Gemeinde der Welt. Die drei abrahamitischen Religionen hätten Jahrhunderte in friedlicher Koexistenz verbracht. Und da hier – in der Wiege der Menschheit - die ältesten menschlichen Vorfahren gelebt hätten, „sind Sie alle ein bisschen Äthiopier“, sagte Asserate an das amüsierte Publikum gewandt.
„Rein äthiopisch“ ist nach seinen Worten seine Religiosität: „Die ist Teil von mir“, erklärte er energisch – und unterstrich damit, was er zuvor schon festgestellt hatte: Religion und Glauben seien das alle Afrikaner Verbindende. Einen ungläubigen Afrikaner gebe es nicht, meinte der ausgewiesene Experte für diesen Kontinent und antwortete dementsprechend auf die Frage, was für die Gesellschaft wichtig sei: „Dass wir alle Kinder Gottes sind.“